Zusammenfassung aus Mailinglisten-Diskussion
Fred, Sopha-Selbsthilfe Dortmund
In vielen Gruppen scheint es ähnlich zu sein: Es finden mehr Männer als Frauen zu den Sozialphobie-Selbsthilfegruppen.
Besonders schwierig wird es, wenn eine Gruppe "kippt" und dann nur noch aus Männern besteht. Ist eine Gruppe erstmal ziemlich außer Balance, fühlen sich neue Frauen wegen der Minderheit nicht wohl und verlassen die Gruppe wieder. So zementiert sich der einseitige Zustand.
Gemischte Gruppen bieten jedoch viele Vorteile. Frauen und Männer bringen etwas wichtiges in die Gruppe ein. Und sie schaffen eine Nähe zum normalen Alltag, Themen die in der Auseinandersetzung zwischen Männern und Frauen entstehen, werden so auch Gruppenthema. Gerade das Thema "Probleme mit dem anderen Geschlecht" ist bei Sozialphobie häufiger anzutreffen. Eine gemischte Gruppe bietet auch die Chance zur Versöhnung unter den Geschlechtern. Vorurteile und Vorbehalte können gelöst werden, Respekt, Aktzeptanz und gegenseitiges Verständnis entstehen. Insofern ist es gut zu schauen, wie man eine Ausbalancierung hinbekommt.
Einige Ideen, die eine Ausbalancierung unterstützen können:
- Eine Frau und ein Mann als Ansprechpartner für die Gruppe. Das erleichtert die Kontaktaufnahme, Frauen mögen vielleicht lieber mit einer Frau in Kontakt treten.
- Moderation der Gruppen wechselweise durch Frauen und Männer.
- Nur weibliche Neue aufnehmen, damit die Gruppe wieder in Balance kommt. Auch mehrere weibliche Teilnehmerinnen gleichzeitig aufnehmen, damit sie sich nicht in der Minderheit fühlen.
- Informationen über die Gruppe dort verbreiten, wo besonders Frauen angesprochen werden. Internet wird wahrscheinlich mehr von Männern genutzt, weshalb ein Online-Auftritt wohl mehr Männer anziehen wird. Die Zeitung wird wahrscheinlich Frauen genauso ansprechen wie Männer. Ähnlich wird es bei den Kontaktstellen und Information über Ärzte und Therapeuten sein. Vielleicht gibt es auch typische "Frauen-Informationskanäle", z.B. Frauenberatungsstelle.
Mögliche Ursachen, warum mehr Männer als Frauen zur Gruppe finden:
- Frauen haben ein besseres soziales Netz, in dem sie sich über Probleme und Schwierigkeiten austauschen können. In der Männerwelt redet man seltener über persönliche Probleme, folglich ist die Gruppe ein wichtiger Ort für dieses Bedürfnis.
- Männer leiden mehr darunter, weil das gesellschaftliche Bild des "Starken-Mannes" unterlaufen wird. Bei Frauen ist es eher akzeptiert, schüchtern und zurückhaltend zu sein. Jedoch: Auch wenn Schüchternheit bei Frauen mehr akzeptiert wird, so leiden diese doch oft genauso unter dem Problem und den Einschränkungen, die es bedeutet. Die Handlungsfreiheit und Selbstbestimmtheit ist genauso eingeschränkt.
Offene Fragen:
- Wie ist die Quote Frauen/Männer bei der Anmeldung zur Gruppe, wieviele kommen dann tatsächlich und wieviele Frauen/Männer bleiben?
- Haben Männer in der Gruppe wirklich ein Bedürfnis, mehr unter sich Themen zu besprechen? -> ansprechen in der Gruppe
- Haben Frauen in der Gruppe wirklich ein Bedürfnis, mehr unter sich Themen zu besprechen? -> ansprechen in der Gruppe
Gleichzeitig kamen Fragen auf, wie man überhaupt mit dem Mann-Frau Thema umgeht:
- Gruppenabende, wo man mal die Gruppe in Männer- und Frauengruppe aufteilt. So können Frauen und Männer untereinander vielleicht Themen besprechen, die sie in gemeinsamer Runde eher nicht besprechen würden. Auch kann man Erfahrungen sammeln, wie man reine Frauen- und Männergruppen erlebt und wie eine gemischte Gruppe.
- Wie wäre es, wenn man grundsätzlich reine Frauen- und Männergruppen anbietet? Manche fanden diesen Gedanken interessant, andere finden eine gemisschte Gruppe sinnvoller. Beide Ansätze bieten Vor- und Nachteile.
- In einer gemischten Gruppe wird das Thema "Partnersuche in der Gruppe" immer wieder eine Rolle spielen. Manche sozialängstlichen Menschen werden mit diesem Bedürfnis zur Gruppe kommen, dort einen Partner zu finden. Oder der Wunsch wird im Laufe der Gruppenabende entstehen. Damit entstehen natürlich auch Schwierigkeiten und Konflikte. Frauen können sich durch Männer bedrängt fühlen und umgekehrt. Wenn Liebesbeziehungen zwischen Gruppenmitgliedern entstehen, kann es zu Spannungsfeldern zwischen diesem Paar und der restlichen Gruppe kommen.
Die Aussage, das Frauen schneller offen über ihre Gefühle reden können, stieß nicht nur auf Zustimmung. Es könnte sein, dass gerade bei sozialphobischen Männern eine ausgeprägte Fähigkeit da ist, sich wahrzunehmen und offen über Gefühle und inneres Erleben sprechen zu können. In diesem Zusammenhang ist eine Unterscheidung auch wichtig: Über Gefühle sprechen zu können oder beim reden mit seinem Fühlen in Kontakt zu sein.
Laut Fachliteratur ist es übrigens so, dass die Diagnose Sozialphobie bei Männern und Frauen etwa gleichverteilt sein soll.