Autor: J.P. Wolters, Fach-Autor zu Themen Sozialer Phobie, Mai 2017
Befragungen ergaben, dass die durchschnittliche Größe einer Sozialphobie-Selbsthilfegruppe bei etwa 8 TeilnehmerInnen liegt.
In Diskussionen im Forum des Netzwerk-Selbsthilfe-Soziale Phobie wurde eine Gruppengröße von 6 – 9 von den meisten als positiv bewertet.
Dies entspricht wohl einerseits dem Bedürfnis nach Kontakt und Austausch, durchaus auch mit mehr als nur einer Handvoll Leuten, zum anderen aber auch dem Wunsch, dass noch eine vertraue und dichte Atmosphäre entstehen kann.
Dennoch ist es auch interessant, welche Veränderungen eintreten bei größeren Gruppen.
In Paderborn wuchs bisher die Selbsthilfegruppe aufgrund hoher Nachfrage zweimal bis auf 17 – 22 TeilnehmerInnen, sodass wir uns dann jeweils nach einigen Wochen in zwei Gruppen geteilt haben.
Unsere Erfahrungen mit so einer großen Gruppe waren keinesfalls nur negativ.
Die aufgrund des schnellen Wachstums teilweise noch unvertrauten Gesichter stellten zunächst eine Herausforderung für die Gruppe dar. Es wurde etwas stiller, die Beiträge wurden kürzer und vielleicht auch in ihrer Formulierung weniger persönlich.
Aber nach drei bis vier Wochen hatten wir uns erstaunlich schnell daran gewöhnt, im großen Kreis mit mindestens 17 Menschen an unseren Themen offen zu arbeiten. Eine besondere Schwierigkeit und auch ein Gegenstand der Diskussion in der Gruppe waren, dass die gewohnte Ausführlichkeit im " Eingangs Blitz" für jeden einzelnen absolut nicht mehr zur Verfügung stand. Es war jedoch auch eine interessante Erfahrung, dass das Bemühen um Kürze und Konzentration aufs Wesentliche im Blitzbeitrag diesen keinesfalls belangloser, sondern ganz im Gegenteil bei den meisten emotionaler, spannender und gehaltvoller werden ließ.
Ein Vorteil einer so großen Gruppe liegt in der Vielfalt und Lebendigkeit der Beiträge und Meinungen. Große Gruppen mit 20 TeilnehmerInnen haben einen hohen Übungswert, wenn es darum geht, die Stimme zu erheben und das eigene Anliegen vor den anderen darzustellen. Zudem ist auch die Vielfalt an unterschiedlichen Sichtweisen wertvoll und hilfreich.
Es herrscht allgemein mehr Energie und auch Spannung, letztere kann förderlich oder hemmend sein bei Einzelnen.
Der Nachteil ist sicherlich die deutliche Zeitbegrenzung z.B. auch im Blitzbeitrag, und dass ganz Stille nun weniger umsorgt werden können moderatorisch. Einigen fällt es dann schwer, sich zu öffnen.
Je größer der Kreis ist, umso wichtiger und unentbehrlicher scheint deshalb die Funktion eines zu Beginn der Gruppensitzung bestimmten Moderators zu sein, der ein Auge auf eine gute Zeit-Struktur der Sitzung hat. Der Moderator wirkt nach der Eröffnungsrunde bei der Themenfindung mit und bindet auch die Stilleren mit einer Frage oder Bemerkung behutsam in den Sitzungsverlauf ein.
Bei kleinen Gruppen ist es dagegen einfacher, eine vertraute und familiäre Atmosphäre herzustellen, in der die Menschen lockerer sind und auch die sehr Stillen zu Wort kommen. In ganz kleinen Gruppen (5 und weniger) besteht allerdings die Gefahr, dass keine neuen Impulse mehr reinkommen, besonders, wenn länger niemand neu zur Gruppe dazu kommt.
Zusammenfassend lässt sich aus den Erfahrungen mit unterschiedlichen Gruppen-Größen sagen, dass schwankende TeilnehmerInnen-Zahlen zwischen 6 und 14 (wie sie durch Urlaubs- und Ferienzeiten immer mal wieder vorkommen) die unterschiedlichen Stärken großer und kleiner Gruppen abwechselnd in den Kreis bringen, also sowohl eine besonders dichte Atmosphäre als auch immer mal wieder größere Vielfalt.
Das letztlich entscheidende Hauptargument gegen Gruppengrößen über 14 Personen ist, dass sich einige Mitglieder in sehr großen Gruppen aufgrund der sozialphobischen Problematik trotz aufmerksamer Moderation nicht mehr am Gespräch beteiligt haben.
Dieser Text stammt aus dem Infomedium Soziale Phobie Ausgabe 3.